Nachdem Zeiss Jena 1948 die erste "moderne" Spiegelreflex vorgestellt hatte - die "Contax S" bzw. "Contax D" - begann Asahi in Japan mit der Konstruktion einer verbesserten Variante. Unter dem Namen "Pentax" (=Pentaprisma-Contax) ab 1957 vermarktet, wurde diese bald zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten der klassischen, professionellen Messucher-Kameras (Leica M, Contax RF, Nikon S, ...). 1958/59 trat Minolta in den SLR-Markt ein, mit der SR-2 und der SR-1. Fast gleichzeitig sprang auch Nikon mit der "Nikon F" und Canon mit der "Canonflex" auf den Zug auf.

Alle diese Kameras konnten aufgrund ihres Spiegelkastens und des Auflagemasses von 40-45mm nicht mit dem klassischen Sonnar als Normalobjektiv ausgestattet werden, das damals als das beste Objektive galt. Asahi / Pentax versuchte sich zwar um 1958 mit drei Konstrutionstypen (Sonnar, Heliar und Planar); bald setzte sich aber das Planar auf der ganzen Linie durch.

Im zweiten Vergleich von 50mm-Objektiven an der NEX kommen die Minolta SR- und MC-Objektive der 1960er Jahre zum Zug. Minolta setzte gleich von Beginn weg auf den Planar-Typ. Alle Normalobjektive mit SR-Bajonett sind sechs- oder siebenlinsige Planar-Abkömmlinge; einzige Ausnahme ist das seltene 2.8/45mm von 1961, das noch als Tessar ausgelegt wurde.

 

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Minolta 55mm f18 SR

Das 1958 als erstes eingeführte Minolta Auto Rokkor-PF 55mm 1:1.8 hatte bereits hochbrechende, lanthanhaltige Sondergläser, wie aus der damaligen Werbung von Minolta ersichtlich ist. Das Objektiv ist sauber gebaut, hat bereits eine Springblende und - anders als Zeiss und Asahi/Pentax! - einen Bajonettanschluss. Das Objektiv spielt leistungsmässig in der Klasse des Zeiss Biotar 5.8cm 1:2 (1938) - am Bildrand etwas besser, in der Mitte etwas schwächer als das zwanzig Jahre ältere Zeiss. Dass abgeblendet die Bildmitte nicht wirklich scharf ist, ist auf den "Fokus-Shift" zurückzuführen. Bemerkenswert das fast völlige Fehlen von CAs.

 

 

Minolta 58mm f14 MC-I

Bereits 1961 folgte Minoltas erstes hochlichtstarkes Objektiv - das Auto Rokkor-PF 58mm 1:1.4. Eine mit Kupplung für den Belichtungsmesser versehene Variante, das Minolta MC Rokkor-PF 58mm 1:1.4 - wurde ab 1966 gebaut. Obwohl es wie das frühere Auto Rokkor 1.8/55mm nur aus sechs Linsen besteht, ist seine Abbildungsleistung zumindest im Zentrum deutlich besser. Beim Abblenden nimmt merkwürdigerweise die Schärfe in den Bildecken deutlich ab - das Verhalten ist real (also keine Verwechslung von Bildern), erklären kann ich es mir nicht präzise. Vermutlich haben wie eine deutliche Bildfeldwölbung, die durch sphärische Restfehler bei Offenblende teils kompensiert werden; beim Abblenden fallen sie weg, und die Bildfeldwölbung fällt stark auf (falls jemand eine bessere Erklärung hat: ich bin um Hinweise froh). Jedenfalls wird hier eine Beobachtung bestätigt, die bereits die Zeitschrift "Popular Photography" sowie auch der Fachautor Dieter Gabler um 1970 herum machten: Die praktisch gleich aussehenden und aufgebauten Objektiv-Varianten "MC-I" und "MC-II" (siehe weiter unten) unterscheiden sich in ihrer optischen Leistung recht deutlich!

Das Rokkor 58mm 1:1.4 (MC-I) hat nur wenig laterale CAs. Die bei Offenblende eher sanfte, aber detailreiche Wiedergabe, die leichten Überstrahlungen sowie die etwas längere Brennweite machen dieses Objektiv zu einer fast idealen "Vintage"-Portrait-Linse. Die effektive Öffnung (41mm) ist praktisch gleich gross wie bei einem 1.2/50mm; die Bildwirkung entspricht somit einem 2/85mm am Vollformat.

 

Minolta 55mm f17 MC-I

Ebenfalls 1966 wurde das 1.8/55mm durch eine Neurechnung ersetzt: das Minolta MC Rokkor-PF 55mm 1:1.7. Eine Spur lichtstärker als der Vorgänger, aber prinzipiell gleich aufgebaut, weist es abgeblendet eine leicht höhere Detailschärfe auf. Bei Offenblende hingegen ist eher eine Verschlechterung sichtbar: stärkere CAs und weniger Details... Dies deutet darauf hin, dass das neue 1.7/55mm bereits auf geringere Kosten hin optimiert wurde. Die Mechanik hingegen lässt kaum Wünsche offen - der Scheckengang läuft weich, er ist nicht allzu steil ausgelegt (zugegeben, die klassischen Zeiss-Objektive waren diesbezüglich besser), und am live-view der NEX lässt sich die Optik problemlos und sehr präzise scharfstellen - was man leider von praktisch keinem aktuellen Objektiv behaupten kann...

 

Minolta 55mm f17 MC-II

Das nachfolgende Minolta MC Rokkor 55mm 1:1.7 von 1969 ("Berg-und-Tal" oder MC-II) hat eine sichtbar bessere Offenblend-Leistung, dafür leiden - wie beim früheren 1.4/58mm - abgeblendet die äusseren Bereiche. Bei den 1.7/55er fehlen - im Gegensatz zum 1.4/58mm - bei Offenblende deutlich die Details; für Portraits ist dies nicht ideal.

 

 

Minolta 58mm f14 MC-II

Das "neue" Minolta MC Rokkor 58mm 1:1.4 ("MC-II") hat - trotz gleichen Eckdaten und praktisch identischem Aussehen - eine deutlich bessere Abbildungsleistung als die MC-I-Variante. Die Aussagen der damaligen Tests in Popular Photography oder bei Dieter Gabler lassen sich somit auch an der NEX bsetätigen. Die angenehm weiche, sanfte und gleichzeitig detailreiche Abbildung bei f1.4 bleibt erhalten. Abgeblendet auf f5.6 kann die Linse als gutes und über das ganze APS-C-Bildfeld scharfes Objektiv gelten. Auch die CAs bleiben in einem überschaubaren Rahmen. Offensichtlich wurde die alte Rechung im Zuge der Anschaffung einer "hauseigenen Grosscomputers" überarbeitet - doch mehr davon etwas weiter unten!

 

Im Zuge einer vom japanischen Staat koordinierten Forschung entwickelten in den 1960er Jahren verschiedene japanische Objektivhersteller gemeinsam eine Reihe von höchstbrechenden Sondergläsern, die dann in Objektiven aller beteiligten Hersteller genutzt wurden. Minoltas hauseigenes Glaslabor entwickelte Mitte der 1960er Jahre sechs thorium- und/oder lanthanhaltige Gläser, die sich durch gleichzeitig hohe Brechkraft und niedrige Dispersion auszeichneten. Dadurch und den erstmaligen Einsatz eines hauseigenen "Grosscomputers" wurden eine Reihe von Objektiven möglich, die teils bis heute einen ausgezeichneten Ruf geniessen. Sie umfasste u. a. die folgenden Objektive:

* Minolta MC Fish-Eye Rokkor-OK 16mm 1:2.8
* Minolta MC Rokkor-NL 21mm 1:2.8
* Minolta MC Rokkor-SI 28mm 1:2.5
* Minolta MC Rokkor-HH 35mm 1:1.8
* Minolta MC Rokkor-PG 58mm 1:1.2
* Minolta MC Rokkor-PF 85mm 1:1.7
* Minolta MC Rokkor-PF 100mm 1:2.5
* Minolta MC Rokkor-HF 300mm 1:4.5

 

Minoltas MC Rokkor-PG 58mm 1:1.2 gilt als Juwel unter den klassischen Minolta-Festbrennweiten. Es erreicht seine Lichtstärke durch die erstmalige Anwendung von sieben Linsen bei einem Minolta-Normalobjektiv sowie durch die genannten neuen höchstbrechenden Gläser. Leitz - wo man für das wenig bekannte Noctilux 1.2/50mm zunächst auf einen Sechslinser mit Aspähren gesetzt hatte - übernahm 1975 beim klassischen Noctilux 1.0/50mm die grundsätzliche Konstruktionsweise des Minolta MC 1.2/58mm. Im übrigen ist der Freistellungseffekt des MC 1.2/58mm eher grösser als die des Noctilux 1.0/50mm: die absolute Öffnung ist praktisch gleich, die Brennweite aber etwas länger. Da das Minolta 1.2/58mm zudem noch den Ruf des besseren Bokeh hat, ist durchaus verständlich, dass es mittlerweile für gegen 500.-- CHF/USD bzw. 400 EUR gehandelt wird.

Bedingt durch ein spezielles Sonderglas hat das Minolta MC 1.2/58mm (ebenso wie das Leitz 1.0/50mm) einen deutlichen Gelbstich. Dieser Gelbstich ist - anders als z. B. beim Minolta MC 28mm 1:2.5 oder beim Super-Takumar 1.4/50mm - nicht durch radioaktive Gläser verursacht; er kann somit auch durch "Sonnenbaden" nicht ausgebleicht werden!

 

Minolta 58mm f12 MC-II

Bei Offenblende zeichnet das 1.2/58mm über das ganze APS-C-Bildfeld überraschend detailreich. Der Kontrast ist extrem niedrig, was gerade bei kontrastreichen available light Situationen zu einer guten Durchzeichnung der Schatten und Lichter führt. Dadurch werden auf optische Art und Weise - längst vor dem Sensor - zwei typische Probleme der high ISO Fotografie entschärft. Gesamthaft gesehen gewinnt man in der realen Fotografie - im Vergleich zu typischen heutigen, auf Kontrast gezüchteten Objektiven - mindestens eine Blendenstufe an Empfindlichkeit und wohl zwei Stufen an Dynamikbereich. Den miserablen Mikrokontrast bei Offenblende kann man durch nachträgliche Schärfung problemlos auf sinnvolle Werte anheben, weil Astigmatismus und Bildfeldwölbung sehr gut korrigiert sind.

Durch leichte Abblendung auf f2 (wird der Mikrokontrast bereits recht gut; das MC 1.2/58mm erreicht praktisch das Niveau des hervorragenden Zeiss Planar ZM 2/50mm.Weiteres Abblenden bringt eine Detailauflösung, die wohl deutlich höher als die des 16MP-Sensors ist. Bei f5.6 ist das MC 1.2/58mm das beste aller getesteten Minolta-Normalobjektive; es übertrifft wohl auch das klassische Makro Rokkor 50mm 1:3.5 deutlich.

 

 

Minolta 58mm f12 MC-II Blendenvergleich

Das obige Bildbeispiel (100% crop aus dem Bildzentrum) zeigt, wieviele Details aus dem MC 1.2/58mm herausgeholt werden können. Die Bilder sind für die Bildschirmbetrachtung eher überschärft; im Druck macht sich allerdings eine prononcierte Schärfung in der Regel recht gut. Das 1.2/58mm dürfte bei Offenblende v. a. bei Schwarzweiss-Aufnahmen zu interessanten Effekten führen. Ich bin gespannt darauf, das Objektiv vertieft zu testen - insbesondere für "real-world-Aufnahmen". Portraits, verrauchte Bars (gibt's das überhaupt noch ...??) und Music-Sessions scheinen mir dazu geeignet. Oder Akt-Aufnahmen ...

 

 

 

Zu guter letzt schliesslich eine bemerkenswerte Konstruktion, die Minolta 1961 noch mit Leica-M39-Schraubgewinde eingeführt hatte: das Minolta MC Macro Rokkor-QF 50mm 1:3.5. Das Objektiv mit gemässigter Lichtstärke war für die damalige Zeit sehr aufwändig als sechslinsiger Planar-Typ gebaut, zudem wurden hochbrechende und niedrig dispergierende Gläser zur Korrektur der Farbfehler eingesetzt:

 

Minolta 50mm f35 MC-II

Zumindest im Unendlich-Bereich sind bei Offenblende noch deutliche Rand-Schwächen sichtbar; ab f5.6 ist die Abbildungsleistung aber exzellent. Zusätzlich zu den übllichen Korrektur-Parametern wurde das 3.5/50mm auch auf weitgehende Verzeichnungsfreiheit korrigiert. Die Optik lässt sich direkt bis zum Massstab 1:2 fokussieren; der mitgelieferte Zwischenring erweitert den Einstellbereich bis 1:1 (d. h. ca. 16x24 mm Objektgrösse). Der bekannte Minolta-Fachautor Josef Scheibel berichtet, dass diese Optik unter optimalen Bedingungen bis zu 250 LP/mm überträgt, mithin vom 16MP-Sensor der NEX-5N noch lange nichtausgereizt wird.