INTRO

"... a remarkable lens, superb close up results and wonderful colour rendering, considering that Zeiss produced this lens in 1933, which makes it 78 years of age, and still a great performer. Leica optics were well behind Zeiss at this date and Leitz's fastest lenses - the F2 Summar and F2.5 Hektor - couldn't compete with Bertele's F1.5 Sonnar in the performance stakes. Leitz couldn't compete with a fast 5cm lens of at least f1.5 until 30 years later with the 2nd version of the f1.4 Summilux in 1966. Their 1935 Xenon produced to give Leica users a competitive lens fell well short of the mark and couldn't touch the Sonnar." (Pan F - rangefinderforum.com)

Das von Jakob Bertele gerechnete Zeiss Sonnar 5cm 1:1.5 (1932) ist sicherlich eines der wichtigsten Kleinbild-Objektive überhaupt. Während rund fünfzehn Jahren galt das über mehrere Zwischenschritte aus dem klassischen Triplett abgeleitete Objektiv als das schärfste und gleichzeitig lichtstärkste Kleinbild-Objektiv. In der Regel an der von Küppenbender konstruierten Messsucher-Contax eingesetzt, wurde das Objektiv in kleinen Serien auch für die Leica produziert, die als handlichere und leisere der beiden deutschen Messsucher-Kameras galt.

 

Zeiss Sonnar 5cm f15 ContaxRF - Leica LTM

Links ein sehr seltenes ziviles 5cm 1:1.5 mit T-Vergütung.

 

Dieses Objektiv war an einer Contax III mit experimentellem Verschluss, vermutlich aus der Übergangsphase kurz nach dem zweiten Weltkrieg, montiert und wurde von einem alteingesessenen Contax-Händler in Olten gekauft. (Untersuchung, Datierung, und Restauration von Kamera und Objektiv durch  Henry Scherer, Suisun City, CA)

 

Rechts ein ebenfalls seltenes 5cm 1:1.5 mit Leica-Schraubgewinde in der Variante mit schwarzem Frontring von 1941.

 

Das Objektiv wurde von einer Zürcher Witwe zusammen mit einer Leica IIIc von 1941 an ein bekanntes Zürcher Fotogeschäft verkauft, von wo ich es erwerben konnte. Man beachte die violett-bräunlich schimmernde Zeiss-T-Vergütung, die sich von der bläulichen Vergütung der sowjetischen Zeiss-Kopien unterscheidet.

 

 

 

EINIGE BEMERKUNGEN ZUR LICHTSTÄRKE

Scharfzeichnende Objektive hatten um 1850 eine Lichtstärke von ca. 1:20. Zusammen mit den damals verfügbaren Platten führte dies auch bei Tageslicht zu Belichtungszeiten von einigen Sekunden. Um 1900 hatte sich die Lichtstärke fotografischer Objektive zwischen 1:4.5 und 1:9 eingependelt, nicht zuletzt dank des Tessars von Zeiss.

Kräftige Impulse für die Entwicklung lichtstärkerer Objektive kamen um 1920 vom aufkommenden Tonfilm her: Die lauten und hellen Bogenlampen der Stummfilm-Studios mussten durch lautlose, aber deutlich leuchtschwächere Scheinwerfer ersetzt werden - was wiederum zur Entwicklung der ersten lichtstarken Kino-Objektive führte. Um 1920 kamen die ersten Objektive mit einer Lichtstärke von 1:2 auf den Markt, zehn Jahre später war man bei 1:1.5 angelangt: Die Reportage-Photographie bei gegebenem licht war möglich geworden. Zwischen 1940 und 1950 dann - als Folge des Krieges - erreichten militärische Objektive den Wert von 1:1.0; spezielle Objektive stiessen sogar gegen 1:0.7 vor (Satelliten-Objektive; Objektive für Aufnahmen vom Röntgenschirm).

Die Lichtstärke einer einfachen Linse ist definiert als Verhältnis von Linsendurchmesser zu Brennweite. Will man bei gegebener Brennweite die Lichtstärke erhöhen, muss man also den Linsendurchmesser vergrössern. Um die Brennweite konstant zu halten, muss man entweder die Linsen stärker krümmen ("gespannte Linsenradien") oder - bei belassenen Linsenradien - ein Glas mit höherer Brechkraft verwenden. Beide Wege haben in der Praxis ihre Tücken:

1) Stärker gekrümmte Linsen führen zu einer überproportionalen Verstärkung der sphärischen Aberration
2) Gläser mit höherer Brechkraft haben in der Regel auch eine stärkere chromatische Dispersion, d. h. sie führen zu stärkeren Farbsäumen

Zur Korrektion kann der Objektiv-Konstrukteur u. a. auf folgende Massnahmen zurückgreifen:

1) Verteilen der Brechkraft einer stark gespannten Linse auf zwei oder mehrere, weniger gespannte Linsen (Nachteil: Verstärkte Reflexneigung, höhere Kosten)
2) Verwendung von Glas mit höherer Brechkraft (Nachteil: verstärkte Dispersion/Farbsäume, höhere Kosten)
3) Asphärische Gläser (Nachteil: teils exorbitant hohe Kosten; erst ab ca. 1965 verfügbar)

 

VORGESCHICHTE UND VORLÄUFER

Zeiss Sonnar CookeTriplet to Sonnar

Bis auf den heutigen Tag können praktisch alle Festbrennweiten als Abkömmlinge des dreigliedrigen Triplets oder als Weiterentwicklung des viergliedrigen Planars verstanden werden. Vor dem Aufkommen der Vergütungen (1937, Smakula bei Zeiss) hatte das Triplett-Prinzip gewichtige praktische Vorteile, da es nur sechs Glas-Luft-Flächen hatte und somit zu einem sichtbar besseren Kontrast führte als die Planar-Abkömmlinge.

Das ursprüngliche Taylor-Triplett von 1893 kam mit einer Öffnung von 1:3.5 an seine Grenzen - selbst wenn man sich auf einen Bildwinkel von nur 15° beschränkte. Charles Minor rechnete 1916 eine deutlich lichtstärkere Variante des Triplets, indem er die Brechkraft der vorderen Linse auf zwei Linsen verteilte und damit die sphärischen Aberrationen deutlich reduzierte (Gundlach Ultrastigmat 1:1.9). Allerdings hatte dieses Objektiv nun ebenfalls acht Glas-Luft-Flächen, was zu vermindertem Kontrast führte.

Jakob Bertele verfeinerte 1923 als 23jähriger bei Ernemann in Dresden den Grundlach'schen Ultrastigmaten weiter. Er ersetzte zunächst die vordere, dann die hintere der beiden positiven Menisken des Ultrastigmaten durch ein verkittetes Dreierglied und erhielt damit sein erstes Meisterwerk: Das Ernostar. Zunächst als 10cm 1:2 produziert, folgte kurze Zeit später eine Variante mit 1:1.8.

Diese frühen lichtstarken Objektive  legten im Zusammenspiel mit der ebenfalls von Ernemann produzierten Ermanox-Kamera den Grundstein für die Reportage-Fotografie bei gegebenem Licht. Ein versuchsweise gebautes Ernostar mit der Lichtstärke 1:1.5 scheint nicht praxistauglich gewesen zu sein; jedenfalls verschwand es in der Versenkung. In der Patentliteratur findet sich 1925 eine weitere Variante des Ernostars, die den Weg zu den nachfolgenden Sonnaren der 1930er Jahre vorgibt. Wie beim ursprünglichen Ultrastigmaten ist die vordere, positive Linse des Triplets verdoppelt. Neu hat Bertele das hintere, ebenfalls positive Glied als nicht verkittetes Dublett ausgelegt.Diese Anordnung ist bereits recht nahe am Sonnar 5 cm 1:2, das ab 1932 als exzellentes Standardobjektiv zur Messsucher-Contax in Serie gehen sollte.

Ernemann wurde 1926 - zusammen mit anderen innovativen Dresdener Kamerabauern - von der übermächtigen Zeiss-Stiftung übernommen und zu Zeiss-IKON intergriert; der junge und überaus kreative Bertele arbeitete fortan somit für Zeiss.

 

DAS SONNAR 5cm 1:2

Das 1932 patentierte Sonnar 5cm 1:2 war eine geniale Weiterentwicklung der Ernostar-Variante von 1925: Bertele füllte die "Luftlinse" zwischen zweitem positivem Meniskus und dem stark negativen Mittel-Element mit einem niedrig brechenden und niedrig dispergierenden, fluoridhaltigen Glas. Bertele konnte damit zwei Fliegen auf einen Schlag erwischen: Erstens fielen zwei Glas-Luft-Flächen weg; mit nur sechs Glas-Luft-Flächen war der Kontrast des neuen Objektivs für eine lichtstarke Konstruktion ungewöhnlich gut. Zweitens konnte Bertele mit dem niedrig dispergierenden Fluorid-Glas die starken chromatischen Fehler der damaligen hochbrechenden Gläser ausgleichen, die er für das mittlere, negative Element verwendet hatte.

Das neue Sonnar war damit gut auf sphärische Aberrationen korrigiert, hatte einen hohen Kontrast und war praktisch frei von Farbquerfehlern. Diese Leistung verschaffte dem ursprünglichen Sonnar sofort eine herausragende Stellung unter den damaligen Objektiven, zumal es seine optimale Leistung bereits bei f5.6 erreichte und damit rund zwei Blenden früher als das Zeiss'sche Tessar 5 cm 1:2.8 oder das Leitzsche Elmar 5 cm 1:3.5.

 

DAS SONNAR 5cm 1:1.5

Praktisch gleichzeitig mit dem lichtschwächeren 1:2 wartete Zeiss bzw. Bertele mit dem Sonnar 5cm 1:1.5 auf, das rund fünfmal lichtstärker war als das Elmar 5cm 1:3.5 zur Schraub-Leica. Bertele musste mit den existierenden Glassorten die Linsenradien stärker spannen als bei der lichtschwächeren Variante; besonders augenfällig wird das an der fast halbkugelförmigen Linse aus hochbrechendem Glas, die im hinteren Triplett zur Korrektion von Koma eingefügt wurde. Durch dieses hintere Korrektionsglied erreichte das Sonnar 1:1.5 in den Randbereichen eine deutlich bessere Abbildungsleistung als der ebenso lichtstarke Ernostar-Prototyp 1:1.5 von 1924.

Notgedrungen waren die Restfehler bei voller Öffnung deutlich stärker ausgeprägt als beim lichtschwächeren Sonnar 5cm 1:2. Alles in allem waren die Fehler jedoch so ausbalanciert, so dass Bertele bei f1.5 dennoch eine ausgewogene und harmonische Bildzeichnung und -wirkung erzielte. Die charakteristischen Überstrahlungen von Spitzlichtern und die detailreiche, aber im Detailkontrast reduzierte Abbildung feiner Strukturen waren charakteristisch für die hochgeöffneten Sonnare.

Varianten

Bereits im Jahr 1933 fertigte Zeiss zwei verschiedene Sonnare (eines davon ein Prototyp) mit den Eckdaten 5cm 1:1.5. Beide Objektive hatten praktisch identische Querschnitte, aber leicht unterschiedliche Glassorten. 1937 folgten zwei weitere Prototypen, die allerdings nicht in Serie gingen: Der eine hatte eine zusätzliche freistehende achte Linse zur Korrektur der Verzeichnung, der zweite war eine vereinfachte Variante des genannten Achtlinsers, bei dem das hintere Dreierglied durch eine einzige, ähnlich geformte Linse ersetzt wurde.

1939 folgte ein weiterer Prototyp, der ebenfalls acht Linsen aufwies - allerdings in drei Gliedern; das letzte Glied bestand aus vier miteinander verkitteten Linsen. Die Lichtstärke dieses Sonnars war mit 1:1.4 marginal höher, die Abbildungsleistung etwas besser. Offenbar konnten die geringen Vorteile den Nachteil des verkitteten Vierergliedes, das ausserordentlich schwierig zu zentrieren war, nicht aufwiegen.

Als letzte Variante wurde nach dem Krieg bei Zeiss Oberkochen das Sonnar 50mm 1:1.5 gefertigt.

 

 

SONNARE AN DER LEICA ... UND HENRI CARTIER BRESSON

 

"Looking at these images, compared to the Leitz Xenon and even the coated Summarit that replaced it... Zeiss could have sold a lot of these lenses."(Brian Sweeney, moderator, rangefinderforum.com)

"Genuine Wartime Sonnars in Leica mount used the Leica standard Focal Length of ~51.6mm, and not the Contax standard ~52.4mm. Compared with a ZK Sonnar, this lens has a black line for the aperture index rather than a dot, and uses a small "m" for meters rather than a large "M". Not shown, the Zeiss lens also has hidden set screws for the rear module." (rangefinderforum.com)

Henri Cartier Bresson, der französische "Meister des Augenblicks", setzte ein Sonnar ein, das auf seine Leica adaptiert war: Das beste Objektiv an der besten Kamera ist man versucht zu sagen! Dies, obwohl die Leica in den 1930er Jahren eher Amateurstatus hatte, im Gegensatz zur professionelleren (und teureren) Contax. Überhaupt sind die Sonnare mit Leica-Schraubgewinde (Leica Thread Mount, LTM) von zahlreichen Legenden umwoben. Dies hat nicht zuletzt damit zu tun, dass Zeiss nur einige Kleinserien des Sonnars 5cm 1:1.5 mit Leica-Schraubgewinde fertigte - und dies in den an Irrungen und Wirrungen nicht gerade armen Kriegsjahren.

 

Zeiss Sonnar 5cm f15 Leica LTM

 

Originale Zeiss Sonnare mit Leica-Schraubgewinde sind selten und deswegen recht gesucht - sie werden deswegen häufig als plumpe Fälschungen angeboten: Russische Jupiter-LTM-Objektive werden mit dem Gravur-Ring eines originalen Contax-Sonnars versehen - und als "originale" Zeiss-LTM-Sonnare verkauft. Noch verworrener ist die Sachlage für den ersten Nachkriegsjahren, als die sowjetische Besatzungsmacht darauf bestand, die Contax-Fertigung unter Einbezug deutscher Fachkräfte und Materialien (Maschinen, Gläser, Rohlinge, mechanische Einzelteile) in der Sowjetunion wieder aufzubauen: Ist ein von Deutschen in der Sowjetunion mit originalen Zeiss-Gläsern gebautes Sonnar nun "echt" oder "gefälscht"?

So oder so - die Sachlage ist oft unklar, und präzise Informationen sind dürftig. Zumindest die genannten plumpen Fälschungen lassen sich relativ leicht identifizieren, unterscheiden sich doch die Gravuren ("M" statt "m", grösseres rotes Dreieck bei der Distanz-Skala) und die Vergütungen (bläulich statt violett) der sowjetischen Sonnar-Kopien von den Zeiss'schen Originalen.

 

QUELLEN

Henry Scherer: Restoration of historical Zeiss cameras

Marco Cavina: Zeiss Tipo Sonnar, ed il geniale filo conduttore che collega tutte le versioni del capolavoro di Ludwig Bertele

Frank Mechelhoff: Frühe lichtstarke Objektive für 35mm und andere Formate

Éric Beltrando: Dioptrique

Rangefinderforum: Experimental 1933 Sonnar 5cm 1:1.5 LTM

Rangefinderforum: Late wartime LTM Sonnar 5cm 1:1.5 on Leica M9